Abstraktion – „die Entfremdung von der Realität“ oder „Leck mich doch! Ich klatsch einfach mal Farbe auf die Leinwand und dann sehen wir, was daraus wird.“

Was ist eigentlich Abstraktion oder wie definiert man sie? Muss man das überhaupt? Ist die Begrifflichkeit „Definition Abstraktion“ nicht ein Fehler in sich? Ist Abstraktion nicht eine Form der Freiheit und Losgelöstheit, so dass eine Definition gar nicht möglich sein sollte? Ansichtssache und Kunstwissenschaftler oder andere Kunstgelehrte würden sofort mahnend die Hand heben (und mir wäre es so was von sch…egal). Ein Wunder, dass Abstraktion heute nicht verboten ist. Der Brockhaus sagt mit Blick auf die Kunst: „Bezeichnung für die seit etwa 1910 entstandenen Werke von Malerei und Plastik, die nicht die gegenständliche, objektive Wirklichkeit – in welchem Stil auch immer – wiederzugeben suchen, sondern die eigene Bildwirklichkeit zum Darstellungsziel erheben und sich von der Wiedergabe der äußeren Erscheinung lösen.“ Also eine Form von Losgelöstheit und kreativer Freiheit zumindest in der Malerei. Naja! Lassen wir das so stehen. Die Künstlerin MILO MOIRÉ steckt sich mit Farbe gefüllte Eier in die Mu… und lässt sie dann durch bewusste Kontraktion auf eine Leinwand klatschen. Ergebnis: Ein auf jeden Fall abstraktes Bild. Eine eigenwillige und für manchen auch etwas fragwürdige Technik aber es kommt gut an.

Weiter im Thema: Ich war diese Woche für einen Tag auf der ELECTRI_CITY Konferenz, einer Konferenz rund um die elektronische Musik. Austragungsort: Düsseldorf, der Geburtsstadt der elektronischen Musik – für die, die es nicht wissen. Neben diversen Bands wie DAF, kommen auch Kraftwerk aus Düsseldorf. Die absoluten Pioniere der elektronischen Musik. Die Konferenz bestand aus Vorträgen, Interviews und Konzerten. Alleine das Interview mit Peter Hook, dem Bassisten der legendären und aus meiner Sicht unerreichten Band Joy Division war phänomenal für den Musikinteressierten. Im Lauf des Tages haben mein Kumpel Stephan und ich uns diverse Vorträge angetan – äh, ich meine natürlich angehört und sind am Ende mit rauchenden Rüben und vielen Fragezeichen darüber nach Hause gestolpert. Warum? Für den Laien, Nicht-Wissenschaftler oder Nicht-Fachmann waren die Thesen, Analysen und Interpretationen nur bedingt nachvollziehbar, zumal die meisten Vorträge nicht frei gesprochen, sondern abgelesen wurden. Um es kurz zu machen: Mir war das Ganze etwas zu abstrakt. Und da sind wir wieder beim Begriff. Abstrakt! Ich liebe ihn! Allerdings wurde mir durch das Lesen des Buchs ELECTRI_CITY von Rüdiger Esch zur gleichnamigen Konferenz und durch die Vorträge die von mir empfundene Abstraktheit der Musik von Kraftwerk erst richtig bewusst. Losgelöst und frei schufen die Herren aus Düsseldorf einen Sound, der die Welt verändern sollte und der noch heute nachhallt. Auch wenn ich kein Fan ihrer Musik bin, ist mir doch bewusst, was sie erschaffen haben. Neben einer musikalischen Bewegung auch den für mich wichtigen Mut zur Abstraktion.

Ein weißes Papier oder eine Leinwand, die man mit Farbe bearbeiten will, birgt immer eine Herausforderung, eine gewisse Anspannung und vielleicht sogar Angst. Schafft man das, was man sich vorstellt oder sind am Ende wieder Stunden an Arbeit und teures Acryl- oder Aquarellpapier plus Farben für die Tonne. Hier kommt die Abstraktion ins Spiel. Mein Empfinden für diesen Begriff ist eine gewissen Losgelöstheit und Freiheit, die man mit Farbe visuell zum Ausdruck bringt. Man lässt es einfach laufen und die Gedanken versinken in den flüssigen und fliesenden Farben.

anxiety disorder - acrylic on paper
anxiety disorder – acrylic on paper

Strukturen, Flächen und Formen entstehen frei und abstrakt. So erschafft man etwas, was Emotionen aus dem Unbewussten freisetzt. Was am Ende entsteht ist eine freie oder vielleicht auch einfach nur für einen Folgeprozess weiterführende Arbeit. In jedem Fall ist es aber auch ein sich Freimachen von Zwängen, Anspannungen und Unruhen. Das ist meine persönliche Interpretation von Abstraktion und zwar nicht nur in der Malerei.

Was Abstraktion ist, darf aus meiner Sicht jeder für sich entscheiden und gerade heute sind gesellschaftlich betrachtet und mit Blick auf Musik, Kunst oder auch andere Bereichen des Lebens unterschiedliche Meinungen zu einer möglichen Definition nötig, um die damit verbundene Freiheit und Losgelöstheit zu unterstreichen.

farbtunnel_no_title_inv_72
No title – Acrylic on paper (digital)

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert