Warum Kreativität die zentrale Komponente des 21. Jahrhundert ist
Worte, die großartig klingen, zum Nachdenken anregen und von Menschen kommen, die es wissen müssen. Menschen, die in Kreativität mehr sehen als nur die Fähigkeit Kunst, Design oder Musik zu erschaffen. Sie sehen sie als Chance für Gesellschaft und Unternehmen. Doch was steckt dahinter? Auf dem Forum d’Avignon Ruhr 2016 erfahre ich mehr darüber.
Rund 300 geladene Gäste trafen sich in der Philharmonie in Essen, um Kreativität als Bestandteil im heutigen gesellschaftlichen Kontext und als ein neues Produktionsmittel der Wissensökonomie ebenso wie der klassischen Industrien zu diskutieren. Fast ausschließlich Menschen aus der Kreativbranche waren anwesend. Designer, Künstler, Journalisten, Schauspieler oder Tänzer. Abgesehen von einigen Rednern gehörte ich zu der kleinen Masse, die in dem Sinne „artfremd“ waren. Im Namen meines Arbeitgebers der synalis GmbH & Co. KG, einem IT Unternehmen aus Bonn, begab ich mich unter die Masse der Kreativen. Zwar hatte ich mein Projekt FARBTUNNEL im Hintergrund, aber so betrachtet vertrat ich die IT auf diesem Event. Soweit ich es der Teilnehmerliste entnehmen konnte, war außer meiner Person kein IT-Unternehmen vor Ort.
„Cloud – Collaboration – Digital Transformation“
Die Begriffe Cloud, Collaboration und digitale Transformation kamen in fast jedem Vortrag zu Sprache. Begriffe, die überwiegend der IT zugeordnet werden. Und das wiederum stellte mich vor die Frage: „Stehen Cloud und Collaboration nicht für Freiheit und Möglichkeiten? Und ist Kreativität nicht eine Form von Freiheit? Oder einfacher ausgedrückt: Cloud + Collaboration = Kreativität?“ Und wenn das so ist, wo sind dann die vielen IT-Hersteller, Dienstleister und Macher, die sich als das treibende Element der digitalen Transformation sehen. „Grundlage von Kreativität ist Freiheit“ hieß es gleich zu Beginn. Hersteller wie Microsoft, Citrix oder IBM sprechen immer wieder in Ihren Cloud- und Kollaborations-Lösungen von Freiheit als Möglichkeit für Unternehmen. Warum nicht von Kreativität? Wenn ich durch eine Cloud- und Kollaborations-Lösung Menschen, Wissen, Informationen und vor allem Ideen zusammenführen kann – ist das nicht DER positive Effekt? Was nützen Prozessoptimierungen, wenn zentrale Möglichkeiten nicht genutzt werden?
Drei Sprecher haben mich mit Ihren Projekten und Aussagen beschäftigt:
Dirk Dobiéy
war in unterschiedlichen Führungspositionen bei SAP, HP und T-Systems tätig. Zu seinen Aufgaben zählten unter anderem der Aufbau eines hauseigenen Intranets für 70. 000 Mitarbeiter und die Einführung von Plattformen zur Arbeit an gemeinsamen Projekten (Collaboration). Außerdem half er bei der Etablierung von Geschäftsprozessen für das sogenannte Volumengeschäft. Dann gründete er die gemeinnützige GmbH Age of Artists, die den Transfer von Kompetenzen und Praktiken aus der Kunst in die Wirtschaft und andere Bereiche der Gesellschaft zum Ziel hat. Sein Ansatz im Vortrag: „Was Unternehmen von Künstlern lernen können“ – Er hat künstlerisches Denken als Haltung definiert und in Analysen ermittelt, dass der Künstler / Kreative fünf Eigenschaften mitbringt, die ihn unterscheiden: „Neugier, Überzeugung, Leidenschaft, Widerstandsfähigkeit und Transzendenz“ – seine Herangehensweise ist anders, wie ein Spiel, ein Experiment und dabei sind Kritik und Gefühl zwei beeinflussende Elemente.
Monica Wiederhold
Vice President Product Management and Innovation bei Lufthansa Cargo AG stellte vor, wie Kreativität in einem so großen Unternehmen bewusst zum Einsatz kommt, um Lösungen zu finden. Neben einem sogenannten „Cargo Configurator“ und anderen Projekten hat Sie mit ihrem Team https://www.myaircargo.net/home entwickelt. Dazu muss man sagen, dass die sympathische Dame studierte Mathematikerin ist und ursprünglich andere Aufgaben bei Lufthansa erfüllte. Ihre Kernaussage im Vortrag: „Transformation erfordert Kreativität“.
Der Philosoph Professor Richard David Precht
klärte alle Anwesenden auf: Das Wort kreativ oder Kreativität kommt aus dem Lateinischen: „Creare“ heißt tun / machen. Halt!, denke ich! Ich als ehemaliger Latein-LKler schrecke auf und vergewissere mich per Internetrecherche. „Facere“ heißt tun / machen. „Creare“ heißt u. a. erschaffen / vorbringen und hier sehe ich einen Unterschied: „Tun“ und „Machen“ klingen für mich wie: Nach Prozess und Plan vorgehen, zeitlich festgelegt umsetzen, abarbeiten, ohne Emotion, Freiheit oder Losgelöstheit. „Erschaffen“ und „Vorbringen“ dagegen stehen aus meiner Sicht für Langsamkeit, freies Denken, Assoziieren, Abstraktion und Inspiration. Abgesehen von dieser kleinen „Wort-Differenz“, die reine Ansichtssache ist, hat Professor Precht eine wichtige Aussage getroffen: „Kreativität dient nicht nur der Lösung von Problemen“ und genau diesen Ansatz sollten Gesellschaft und Unternehmen aktiv einbeziehen.
Kreativität = Mensch
Abgesehen davon, dass ich viele kreative und inspirierende Menschen kennenlernen durfte, das Forum großartig war und für mich vor allem bestätigend, habe ich mir selber erneut über den Begriff Kreativität Gedanken gemacht. “Kreativität ist das Fundament der Menschheit und der gesamten Evolution” las ich vor einiger Zeit in einem Buch über Joseph Beuys. Aber: Ist Kreativität dosierbar und kontrollierbar? Kann man Kreativität erlernen, bewusst einsetzen und wann ist man kreativ? Warum sagen so viele Menschen, dass sie unkreativ sind und warum setzen sie Kreativität immer gleich mit Kunst oder Design?
In der Vergangenheit habe ich für mich persönlich vermehrt festgestellt, dass Kreativität etwas mit Achtsamkeit, Wahrnehmung, Inspiration und Abstraktion zu tun hat. Wer sich auf Dinge einlässt, sie über seine Sinne mit Achtsamkeit und Langsamkeit aufnimmt und verarbeitet, der kann diese Informationen durch Kreativität in etwas Neues umwandeln oder gezielt einfließen lassen. Ideen entstehen. Musik, Filme, die Natur, Worte, Formen oder auch Bilder können das Kreative in uns aktivieren und beeinflussen – wenn wir uns darauf einlassen. Der Klang einer Musik muss dabei nicht zum Musik (nach)machen animieren, sondern kann auch zum Schreiben, Entwerfen oder Konzepten inspirieren. Bewegungen, Gedanken, Ideen oder Abstraktes entstehen. Aber: Kreativität muss sich entfalten können, braucht Raum, Zeit und Geduld. Jeder Mensch muss selber herausfinden, unter welchen Bedingungen, zu welcher Zeit oder an welchem Ort er besonders kreativ ist. Das alles sind persönliche Erfahrungen und damit verbundene Aussagen. Ein Psychologe, ein Philosoph oder ein Schriftsteller mögen anderen Meinung sein, aber am Ende ist es etwas Individuelles, das jeder für sich erleben und erfahren muss.
Das FORUM D’AVIGNON hat eine Sache verdeutlicht. Kreativität bekommt einen neuen Stellenwert, neue Erklärungsansätze und neue Möglichkeiten, insbesondere durch die digitale Transformation unsere Gesellschaft. Diese zu nutzen, zu fordern und bewusst zu fördern ist nicht nur Aufgabe von Politik und Unternehmen, sondern auch der Aufruf an jeden Einzelnen: „Seid kreativ!“
Schöner Bericht! – Manchmal heißt kreativ sein auch einfach nur machen. Und zwar das, was sich Andere nicht trauen. Das Denken ins Unbekannte und das Handeln, ohne zu wissen wie es ausgeht, ist das was kreative Menschen ausmacht. Dies kann nur gelingen, wenn man die Angst vorm Scheitern loslässt und einfach macht 5,4,3,2,1…los!
Danke dir Katrin 😉