Steve Jobs sagte einmal: „Kreativität heißt: Dinge miteinander verbinden. Wenn Sie kreative Menschen fragen, wie sie etwas geschaffen haben, fühlen sie sich ein bisschen schuldig, weil sie gar nicht wirklich etwas getan, sondern nur etwas gesehen haben. Es war einfach offensichtlich für sie. Deswegen waren sie fähig, Erfahrungen zu verbinden und neue Dinge zu kreieren.“
Es beginnt mit einigen schnellen Strichen, die sich langsam zu einer ersten Skizze entwickeln, einer Tonfolge, die sich nach und nach zu einer Melodie formt, einer Reihe an Worten, die als Basis für eine Geschichte dienen oder Notizen und Skizzen, die am Ende zu einem Konzept werden. Ausgelöst durch einen Moment, den Blick auf etwas oder das Ausprobieren von Unbekanntem entsteht ein Prozess, dessen Ergebnis wir weiterentwickelt, ausgearbeitet und finalisiert in Form von Musik, Bildern, Filmen oder Produkten über unsere Sinne aufnehmen und verarbeiten. Faszination und Bewunderung entstehen. Es ist die Magie der Kreativität, die uns zusammen mit der gekonnten Ausführung des Erschaffers in den Bann zieht. Ob Ludwig van Beethoven, George Lucas, Pablo Picasso, Salvadore Dalí, Steve Jobs oder David Bowie – sie alle vereint ein Maximum an Kreativität. Wir bewundern und beneiden sie für das, was sie erschaffen haben. Doch warum kann nicht jeder ein Beethoven, Picasso oder Jobs sein? Sind wir alle unkreativ oder nutzen wir unsere kreativen Seiten zu wenig oder sogar gar nicht? Und ist Kreativität vorwiegend dem Künstler oder Kreativen zuzuordnen?
Kreativität – Mensch statt Maschine
Beim Forum d’Avignon Ruhr 2016 in Essen ging es um Kreativität als Ressource und damit auch um die Frage, ob und wie Gesellschaft und Wirtschaft von der Art und Weise wie Künstler denken und handeln, profitieren können. Künstler in Unternehmen? Für die meisten Menschen mag dieser Gedanke verwirrend klingen. Doch die Welt verändert sich mit der Digitalisierung rasend schnell. Ein Wandel von der Industrie- über die Dienstleistungs- zur Wissensgesellschaft des 21. Jahrhunderts, die auch als Kreativgesellschaft bezeichnet wird, hat sich vollzogen. Kreativität wird zum Schlüssel für Innovation, Wettbewerbsfähigkeit und Individualität. Monika Wiederhold, Vice President Product Management und Innovation bei Lufthansa Cargo brachte es bei einem Vortrag auf dem Forum auf den Punkt: Die digitale Transformation fordert Kreativität, um innovativ und erfolgreich zu bleiben. Kreativität als Ressource, um ein Unternehmen zu transformieren – diesen Ansatz setzt sie mit ihrem Team um. Ein Team, das komplett frei, kreativ und unabhängig Ideen entwickelt, um neue Lösungsansätze für Probleme zu finden. „Kreativität beschleunigt Innovation“, so Ihre Aussage. Die junge Managementliteratur zählt daher neben Wissen und Information Kreativität zu den gegenwärtig wichtigsten Produktionsfaktoren.
Kreativität – das ist nicht einfach nur eine menschliche Eigenschaft. Es ist eine innere Einstellung, die durch Faktoren wie Umwelt, Erfahrung, Wahrnehmung oder auch Emotionen beeinflusst wird. Es ist ein komplexer Prozess, bestehend aus kognitiven Vorgängen, neuronalen Wegen und Emotionen. Jeder Mensch besitzt Kreativität als Eigenschaft, aber nur wenige besitzen ein hohes Maß davon und setzen diese gezielt und bewusst ein. Gerne nennen wie diese Menschen Künstler. Im Zeitalter der Digitalisierung gewinnt Kreativität als Ressource für Wirtschaft und Gesellschaft an Bedeutung. Computergesteuerte Maschinen und Roboter übernehmen mehr und mehr wiederkehrende Aufgaben, die den Menschen an vielen Stellen überflüssig machen. Die Firma Arago entwickelt künstliche Intelligenz, die neun von zehn Routineaufgaben in IT-Abteilungen übernimmt. Eine Oxford-Studie prophezeit, dass schon in zwanzig Jahren die Hälfte aller Berufe von Computern übernommen wird. Was aber bleibt dann für den Menschen? „Das Neue“, sagt auch Chris Boos, Gründer und CEO von Arago. Ideen entwickeln, neue Geschäftsmodelle und neue Konzepte, Design und Kunst.
Für den Einzelnen bedeutet dies: (Ein) Kreativ(er) werden! Nur wie? Und muss ich zum Künstler werden um kreativ zu sein? Was ist ein Künstler oder was macht diese Menschen aus, abgesehen von ihrer Kreativität und was kann ich von ihm lernen?
Künstler – Kreativität in Person?
Welchen Aspekt können Künstler im unternehmensbezogenen Kontext spielen und „was können Unternehmen von Künstlern lernen?“ Eine der zentralen Fragen, die auch der ehemalige SAP-Manager Dirk Dobiéy mit seinem Unternehmen Age of Artists untersucht, und zielte dabei insbesondere auf das künstlerische Denken als Haltung ab. Neugier, Überzeugung, Leidenschaft, Experimentieren und Spielen gepaart mit den eigenen Emotionen und den Einflüssen der Umwelt – das macht einen Künstler aus und davon will man profitieren.
Künstler und Kreative wenden andere Denkansätze und Prozesse an, um ein Ziel zu erreichen oder etwas zu erschaffen. Das hängt unter anderem damit zusammen, dass es kein Richtig und kein Falsch gibt. Auch geht es im Kern nicht darum eine Lösung für ein Problem zu finden. Der Künstler will etwas erschaffen. Etwas, das seinen eigenen Vorstellungen entspricht, aus seiner Phantasie hervorgeht und eine Aussage vermittelt. Dabei muss man einen Aspekt hervorheben, der für das künstlerische Schaffen ausschlaggebend ist: Freiheit! Jene Freiheit ermöglicht ihm eine Herangehensweise, bei der Störfaktoren wie Stress, Beeinflussung, Eingrenzung oder feste Strukturen vermieden werden können. Doch eine solche Freiheit für den Künstler gab es nicht immer. Erst durch die Kunst des 20. Jahrhunderts, durch Avantgarde und Postmoderne wurden die Grenzen der sozialen Verbreitung durchrochen, sodass man sich von religiösen, moralischen und politischen Vorgaben löste. Eine neue Art der Kunst entstand, die bis heute wirkt und immer wieder neue Formen der Kommunikationen einbezieht. Der Schaffensprozess auf Basis von Kenntnissen, Erfahrungen und Umsetzung rückt damit in den Fokus und lässt Neues entstehen, das im besten Fall als Kunst anerkannt wird.
Kunst funktioniert anders als Prozesse und Workflows, wie man sie aus dem Berufsalltag kennt. Sowohl der Schaffensprozess als auch die Wirkung. Spontanität, Flexibilität, Querdenken und Kreativität sind Einflussfaktoren für den Künstler, die seine Arbeit ausmachen. So entsteht heute die Erkenntnis, dass Kunst und ihre Akteure durch ihre Herangehens- und Sichtweise der Wirtschaft wichtige neue Impulse liefern können. Künstler zerstören oft Werke, in denen gar wochenlange Arbeit steckt und fangen wieder bei Null an. In der Arbeitswelt würde man dies als gescheitertes Projekt bezeichnen. Der Künstler sieht das Werk nicht als gescheitert an, sondern als ein Finden des richtigen Ansatzes. Er experimentiert oft lange und sammelt Erkenntnisse. In der Wirtschaft heißt es dagegen: Ziele definieren, Investitionen kalkulieren, Rahmenbedingungen festlegen und engmaschig den Prozess kontrollieren. Eine freie kreativer Herangehensweise ist hier fast unmöglich. Der Künstler und der Kreative legen einfach los, lassen sich inspirieren und die Gedanken fließen. Ein Prozess, der Muße, Ruhe und ruhig fließende Gedanken verlangt. In der Wirtschaft meist undenkbar – zumindest im Bereich ausführender Ebenen. Alles ist auf Struktur, Effektivität und Kontrolliertheit ausgelegt. Doch vielleicht wachen Führungsebenen und Management auf, mit der Chance, die Dinge zu ändern.
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