Matthias Holländer alias „der Holle“ – professioneller Illustrator aus Bonn
Der Regen prasselte in kalten Fäden nieder verstärkt durch den starken seitlichen Wind, der unsere Hosen in wenigen Sekunden durchnässt. Der Illustrator Matthias Holländer alias Der Holle und ich betreten nass und durchgefroren ein Bonner Irish Pub, setzen uns in eine ruhige Ecke und freuen uns, dass wir einen entspannten Abend vor uns haben. Ein Guiness und einen Cider ordern wir, dazu Fish & Chips. Und wir wollen uns etwas später einen Whiskey gönnen.
Vor knapp sieben Jahren lernten wir uns kennen als die Illustratorin Tanja Meyer mich ansprach, ob ich mit ihr, Matthias und dem Illustrator Alex Graf eine Ausstellung machen möchte – das Thema: Illustration aus Bonn. Als ich dann Matthias’ Arbeiten sah, war ich maximal begeistert und eingeschüchtert zugleich. Er kann einfach unfassbar gut zeichnen und er besitzt die besondere Gabe mit wenigen Strichen und seinem unverwechselbaren Zeichenstil Geschichten in verträumte Bilder zu verwandeln. Ob mit dem Kugelschreiber, mit dem Pinsel oder auf dem Grafiktablett – es sind die kleinen Details, die märchenhaften Charaktere und die für ihn typische reduzierte Farbigkeit, die jede Darstellung so spannend machen. Matthias illustriert professionell, mit Leidenschaft und mit einem unverkennbaren Stil.
Wir stoßen an und reden erst einmal über unser Dasein als Väter und über das alltägliche Jonglieren mit den eigenen Ressourcen. Er kümmert sich aktuell tagsüber um die kleine Tochter und kann erst arbeiten, wenn seine Frau am Nachmittag zu Hause ist. Nicht ganz einfach, da kreative Leistung eben nicht auf Knopfdruck kommt und der Tag mit Kind sehr ermüdend sein kann.
Wir sprechen über seine Auftragslage und auch über einen meiner Blogbeiträge zum Thema KI Bildgeneratoren. Natürlich interessiert mich, wie er die Entwicklung von Generative AI sieht und ob er ein Risiko für seinen Beruf sieht.
T: Machst du dir Gedanken um deine Zukunft, wenn du die aktuellen Entwicklung und Möglichkeiten siehst oder belächelst du die Ergebnisse eher?
M: Der Job eines Illustrators ist stets im Wandel. Auch wenn man seinen Zeichenstil und seine Nische in der Branche gefunden hat, muss man trotzdem die aktuellen Trends verfolgen und sich weiterbilden. Ich habe schon recht früh angefangen, digital zu zeichnen und bin damit sozusagen aufgewachsen. Für meine Vorgänger, die stets auf Papier gezeichnet haben, muss das digitale Zeichnen am Computer eine riesige Veränderung in ihrem Job gewesen sein. Plötzlich hat man so viele neue Möglichkeiten, eine Illustration zu erstellen: Man kann mit mehreren Ebenen arbeiten, ist viel schneller und flexibler beim Ausprobieren und Durchführen von Korrekturen. Ich sage nur STRG+Z! Am Anfang war es bestimmt nicht einfach, den Bleistift wegzulegen und durch einen Plastikstift zu ersetzen. Ich erinnere mich noch gerne an meinen ersten Versuch, auf einem Grafiktablett zu zeichnen, und wusste nicht, ob ich besser auf die graue Plastikfläche meines A6-Grafiktabletts oder auf den Monitor schauen sollte. Bei den meisten Illustratoren ist das digitale Zeichnen gar nicht mehr wegzudenken, und ich sage es noch einmal: STRG+Z!
Die KI ist eine Neuerung, die ebenfalls erst einmal alles auf den Kopf stellt. Doch in unserem Job gehören solche Neuerungen dazu. Ruhe bewahren, ausprobieren und überlegen, wie man die Technik für sich nutzen kann. Vielleicht bekomme ich ja auch irgendwann in der Zukunft eine Tantiemenabrechnung, in der steht, dass jemand die KI genutzt hat, um Bilder zu kreieren, und dass in den Bildern X % meiner Zeichnungen und Ideen stecken.
T: Es heißt ja, dass Kreative von KI profitieren, weil sie Zeit sparen. Siehst du für dich schon einen Nutzen?
M: ChatGPT hilft mir manchmal beim Formulieren von E-Mails, beim Übersetzen oder schreibt für mich Antworten auf Interviewfragen wie diese. 😉
Ich probiere zwischendurch immer mal wieder die Bildgeneratoren aus und schaue, wie weit die Technik ist, aber bisher reicht mir die Google-Bildersuche, Pinterest und Bücher, um mir schnell ein paar Bildreferenzen zu liefern.
TV: Ich habe bei meiner Recherche zu KI Bildgeneratoren viele schlechte oder lieblose Illustrationen gesehen. In diesem Zusammenhang habe ich mir die Frage gestellt: Was ist eigentlich gute Illustration? Mein erster Gedanke war: Es ist die perfekte Kombination aus Geschichte und Zeichenstil. Wie siehst du das?
M: Das ist eine schwierige Frage. Eine Illustration steht ja immer im Kontext zu etwas. Wenn sie den Kontext gut unterstützt oder ergänzt, ist das schon die halbe Miete. Alles Weitere liegt im Auge des Betrachters, dessen Geschmack und ob die richtigen Gefühle durch die Illustration ausgelöst werden. Aus diesem Grund ist eine Illustration auch immer einer bestimmten Zielgruppe zuzuordnen und kann nicht jedem Menschen der Welt gefallen.
T: Ich glaube, dass viele den Prozess und den Aufwand einer Illustration gar nicht vor Augen haben. Wie gehst du vor, wenn du mit einem Projekt wie dem Kinderbuch Frau Hummel und Herr Grummel startest?
M: Als ich das Manuskript für „Frau Hummel und Herr Grummel“ bekam, setzte ich mich mit einer schönen Tasse Kaffee auf den Balkon und las die Geschichte mehrmals durch. Beim Lesen kritzelte ich die Ränder mit Notizen und ersten Ideen voll. Anschließend habe ich viel über die Teddybären der Lüfte und deren Erwachen im Frühjahr gelesen und recherchiert. Nebenbei habe ich mir angeschaut, welche Kinderbücher es zum Thema Hummeln gibt (meine Tochter würde jetzt lauthals „HUMMEL BOMMEL“ rufen) und mir ein Moodboard mit Illustrationen und Fotos angelegt.
Mit diesem Wissen habe ich viele Skizzen, sowohl digital als auch auf Papier, von den Protagonisten im Buch und der Welt, in der sie leben, erstellt. Außerdem habe ich mir Gedanken zur Farbstimmung und zum Layout des Buches gemacht. Nachdem ich damit zufrieden war, habe ich ein grobes Storyboard erstellt und es mit der Autorin besprochen. Anschließend habe ich zwei Doppelseiten umgesetzt und wieder mit der Autorin gesprochen. Bei der Umsetzung der restlichen Seiten habe ich immer wieder etwas Abstand zum Buch genommen, alle Seiten regelmäßig ausgedruckt und das Buch als Ganzes betrachtet. Die meisten schönen, kleinen und kreativen Details gelangten im letzten Schritt ins Buch, als ich im Flow war und der Stift schon fast von alleine über das Zeichenbrett (wie eine Hummel) flog. Zum Schluss kamen das Cover und das Vorsatzpapier an die Reihe.
T: Für mich sind Illustratorinnen und Illustratoren die wahren Storyteller. Wenn Geld keine Rolle spielen würde – welche Geschichte würdest du dann illustrieren?
M: Ich glaube, dass jeder Illustrator seine eigene kleine Utopie im Kopf hat und daraus immer wieder kleine Dinge in seine Illustrationen einfließen lässt. Diesen Ort mit all seinen Bewohnern, Landschaften und Abenteuern aufs Papier zu bringen, wäre schon ganz nett, wenn Geld und Zeit keine Rolle spielen würden.
T: Wo holst du deine Inspiration her?
M: Inspiration finde ich überall. Wenn ich zu einem bestimmten Thema etwas illustrieren darf, versuche ich, es mit allem, was mich umgibt, zu verbinden. Abends, kurz vorm Einschlafen, rattert der Kopf dann noch einmal und spuckt manchmal eine gute Idee aus. Meist vergisst man diese dann wieder, aber im Laufe des Tages fängt man sie wieder ein.
T: Hast du Vorbilder?
M: Es gibt Illustratoren und Künstler, die ich sehr schätze und deren Werke mich sehr inspirieren, aber um ehrlich zu sein, habe ich keine wirklichen Vorbilder. Sollte ich?
Matthias zieht aus seiner Tasche einige Papiere raus, auf denen er schnelle Skizzen gemacht hat, legt sie auf den Tisch und gibt mir einen Kugelschreiber. „Zeichne was – ich muss mal auf’s Klo“ sagt er und verschwindet um die Ecke.
Ich schaue mir seine Skizzen an und denke nach. Eine KI macht keine Skizzen, um Gedanken und Ideen festzuhalten. Sie entwickelt keinen eigenen Stil, hat keine Persönlichkeit, keine Emotionen, keine Menschlichkeit. Sie macht sich keine Gedanken, sondern ist stumpf, von Algorithmus und Daten getrieben. Lieblos und ersetzbar sind die Begriffe, die mir bei meinen Recherchen in den Sinn kommen.
Matthias kommt zurück und nimmt einen großen Schluck von seinem Guinness, sodass wir die zweite Runde bestellen. Ich habe ein Glas mit einem Trickstrohhalm gezeichnet. Am Trinkstrohhalm hält sich ein Männlein fest. Nicht so schlecht aber im Vergleich zu Matthias’ Skizzen eben doch nur mittelmäßig.
Nach zwei weiteren Guiness und einem Whiskey machen wir uns auf den Heimweg. Der Regen hat aufgehört und wir laufen in Richtung Straßenbahn. Was ist mit einer nächsten Ausstellung fragen wir fast gleichzeitig? Lass uns mal Pausen machen dieses Jahr – uns fehlt beiden die Zeit und die Muße. Lieber mal zum Zeichnen treffen und was trinken.
Ich bewundere das, was Illustratorinnen und Illustratoren erschaffen
Wenn professionelle Illustratoren wie Matthias skizzieren, entwickeln und umsetzen, ist das ein Prozess, der Kreativität, Können und Erfahrung erfordert. Grafikdesigner halten mehr an ihrer Anonymität fest als Illustratoren, da ihr Fokus darauf liegt, die Ideen anderer Menschen mithilfe klassischer Designelemente zu vermitteln. Illustratoren dagegen werden oftmals anhand ihrer persönlichen Ästhetik und künstlerischen Fähigkeiten ausgewählt. Ihr persönlicher Stil macht sie aus. Wenn Algorithmen lernen, Bilder aus Beschreibungen zu generieren, dann verarbeiten sie dazu Bilder und Beschreibungen in grossen Mengen. Die wiederum stammen aus verschiedenen Internetseiten. Darunter sind Stock-Foto-Portale, aber auch Seiten, auf denen Kunstschaffende ihr Portfolio ausstellen.
Jede:r sollte verstanden haben, dass KI nur deswegen Bilder generieren kann, weil sie durch die (urheberrechtlich geschützten) Werke anderer lernt. Sie denkt sich nichts Neues aus, sondern ist auf Bilddaten und den Prompt angewiesen, der wie ein Briefing eine Anforderung stellt und zu einem Ergebnis führt. Natürlich ist sie schneller und liefert in sehr kurzer Zeit teils sehr gute Ergebnisse. Und es ist nur eine Frage der Zeit bis sie eine komplette Geschichte illustriert. Doch wollen wir das wirklich? Welchen Nutzen hat es, wenn eine KI Bilder generiert? Warum überlassen wir das Beste am Menschsein den Maschinen?
Ich will meinen Kindern kein Kinderbuch vorlegen, in dem eine KI die Bilder generiert hat. Diesen Anspruch habe ich nicht nur an ein Kinderbuch, sondern auch an jegliche Form von Kunst. Ich will die Arbeit der Person bewundern, ihr Können, den Prozess und das gestalterische Geschick, das in die Umsetzung geflossen ist. Ich will die menschliche Leistung würdigen. Und dafür zahle ich gerne einen höheren Preis.
Matthias Holländer erschafft als Buchillustrator emotionsgeladene Bilder, rückt Text mit einer Editorial Illustration ins richtige Licht, haucht als Brettspiel Designer Spielideen leben ein, fasst komplexe Inhalte einfach sowie auf den Punkt in einer Wissenschaftsillustration zusammen und bringt als Dozent Schülern etwas über Illustration bei.
Als freiberuflicher Illustrator mit Arbeitsplatz in Bonn erschafft er zielgruppengerechte Illustrationen mit einem unverwechselbaren Zeichenstil, gepaart mit dem nötigen Humor und der Liebe bis ins kleinste Detail.
Matthias Holländer (Der Holle) lebt und arbeitet in Bonn.
Was ist eigentlich Illustration
Ganz einfach gesagt geht es um erzählende Bilder, von denen die ältestes Form als Höhlenmalerei bekannt ist. In Lascaux, Frankreich, fand man Darstellungen aus der Zeit ca. 15.000 v. Chr. Diese Bilder enthielten nacheinander bildliche Darstellungen oder Logogramme, die wichtige Ereignisse darstellten. In den antiken Zivilisationen Griechenlands und Italiens wurden Helden, Feste, mythologischen Erzählungen und Literatur, Begräbnisszenen und Sportereignisse gezeichnet oder auf Gefäße gemalt. Illustrative Wandmalereien und Bodenmosaike wurden geschaffen, um die Häuser der Reichen und Mächtigen zu schmücken.
Der Beruf des Illustrators setzt sich erst Anfang des 19. Jahrhunderts durch. Englische und französische Karikaturisten verdienten ihren Lebensunterhalt als hauptberufliche Illustratoren mit dem Verkauf von radierten oder gestochenen Drucken in kleinen, galerieähnlichen Druckereien und an Buchständen in den Straßen der Städte. Dadurch wurde die Illustration zugänglich und erschwinglich.
Illustration wurde weiter relevanter und Verleger betrachteten Illustration als eine Notwendigkeit – der Wettbewerb zwischen den Publikationen um die begrenzte Anzahl guter Illustratoren führte zu höheren Budgets für Kunst, was höhere Honorare und eine größere Anerkennung für die Künstler zur Folge hatte. Die besten Illustratoren wurden zu bekannten Persönlichkeiten und einige, wie Charles Dana Gibson und John Held, Jr. erreichten den Status von Berühmtheiten. Dann kam Walt Disney und etablierte sich in der Branche mit populären Zeichentrickfilmen wie Steamboat Willie (1928), dem ersten Zeichentrickfilm mit Ton.
Die Beziehungen zwischen der Spiele-, der Comic- und der Filmindustrie wurden enger, und Illustratoren spielten bei vielen Aspekten der Produktion eine wichtige Rolle, indem sie halfen, sonst unvorstellbare Welten zu visualisieren. Seitdem haben sich viele unterschiedliche Stile und Einsatzbereiche entwickelt. Während früher das Druckmedium im Fokus stand, findet Illustration heute vermehr digital statt. Die Anforderungen haben sich folglich auch verändert: Videos, Spielkonsolen, Online Games, Websites und Apps erfordern Kenntnisse, die über das Kreative hinausgehen
Illustrationen können, ähnlich wie Cartoons, auf kleinstem Raum eine Story erzählen, die Fantasie anregen und eine Welt vermitteln. Fotografie kann das so nicht. Und angesichts der digitalen Bilderfluten bei Instagram und Co ist die Illustration ein Stilmittel, das sich individualisieren lässt und auf eine fantasievollere Art erlaubt, Geschichten zu erzählen und Informationen zu übermitteln.
Grafikdesigner Adrian Shaughnessy formuliert es so: „Die Fähigkeit von Grafikdesign, eindeutige Botschaften zu vermitteln, macht es zu einer bedeutenden Kraft in der modernen Welt: Es ist in der kommerziellen Infrastruktur fest verankert. Die schwammige Mehrdeutigkeit und Fähigkeit, metaphorisch Gefühle und Emotionen zu transportieren, macht Illustration hingegen zu gefährlich für die Welt der Unternehmen.“
Grafikdesigner halten mehr an ihrer Anonymität fest als Illustratoren, da ihr Fokus darauf liegt, die Ideen anderer Menschen mithilfe klassischer Designelemente zu vermitteln. Illustratoren werden oftmals anhand ihrer persönlichen Ästhetik und künstlerischen Fähigkeiten ausgewählt.