23. Offene Ateliers Bonn

Von der Kunst leben oder für die Kunst – die 23. Offenen Ateliers in der Bonner Altstadt

„Das hast du verkackt“, war mein Gedanke, als ich das 100 x 150 Zentimeter große und 20 Euro je Bogen teure Papier betrachtete, das ich seit einigen Wochen in unregelmäßigen Abständen bearbeitet hatte. A_Girl, so der Titel der Arbeit hatte ich wirklich versaut. Und das, nachdem der Start und die ersten Zwischenschritte eigentlich gut verlaufen war. Wut, Frust und Unzufriedenheit über die Tatsache, dass ich schlussendlich fast sechs Monate Zeit und Geld in Form von Ateliermiete und Material vergeudet hatte, machten sich breit. Eigentlich war mein Ziel, bis zu den 23. Offenen Ateliers in der Bonner Altstadt neben meinen bestehenden Dotting-Arbeiten eine großformatige Arbeit fertig zu haben.

Irgendwann wurde mir aber klar, dass ich durch diese Arbeit neue Technikansätze für den Farbauftrag entdeckt hatte, die ich auch während dieser Zeit schon an einer weiteren Arbeit eingesetzt hatte. Und mir wurde wieder einmal klar, dass die Arbeit als Künstler oder Kunstschaffender in ihren Prozessen entgegen denen verläuft, wie man sie sonst aus der Arbeitswelt kennt. Man scheitert an einer Sache oder macht Fehler, sieht es aber grundsätzlich als experimentorientierten Erfahrungswert und in vielen Fällen ergeben sich unerwartete neue Effekte, die man dann weiterverwendet. Man experimentiert, bis ein finales Werk vorliegt.

Seit April 2017 bin ich Teil Ateliergemeinschaft Schaumburg, einer unbeheizten 130 Quadratmeter-Halle in Bonn, in der ich mit einigen anderen Personen den kalten Steinboden, ein altes Klo mit Graffiti-Verzierungen und fragwürdigen Nachbarn teile. Ausgestattet mit einer großen Tischplatte mit Holzböcken, einer großen Metallkiste, in der ich meine Farben und Werkzeuge aufbewahre und einem Holzklappstuhl, den ich am Einzugstag vom Sperrmüll gerettet hatte, machte ich mich damals an die Arbeit. Knapp sechs Monate waren nun vergangen als die Teilnahme an den 23. Offenen Ateliers anstand. Für mich das erste Mal und in dem Sinne das zweite Mal, dass ich mehr Menschen als nur Wohnungs- oder Webseitenbesuchern meine Arbeiten zeigen durfte.

Das erste positive Erlebnis hatte ich bereits am Freitagabend vor den Atelier-Tagen als ich auf den 78-jährigen Künstler Bernd Weschollek traf, der gerade dabei war seine Arbeiten in der Schaumburg aufzuhängen – unter anderem eine Gemeinschaftsarbeit mit einer jungen Kunststudentin, die zu einigen seiner „krieg & dessen folgen“ Collagen Gedichte geschrieben hatte. Gedichte, die das was Bernd als Kind erlebt hatte, in Worte fassten und die Wirkung der Arbeiten verstärkten. Für Künstler wie Bernd Weschollek ist seine Kunst ein Ventil, um den Erlebnissen und Erinnerungen Freiraum zu geben.

Am 30.9 und 01.10 fanden dann die 23. Offenen Ateliers in der Bonner Altstadt statt. Der Rundgang am Sonntag, bei dem alle teilnehmenden Künstler gemeinsam von der Herbstsonne begleitet von Atelier zu Atelier spazierten, um ihre Arbeiten vorzustellen, gab mir auch die Möglichkeit dem einen oder anderen die bekannte Frage zu stellen: „Kannst du von der Kunst leben?“ Und wie zu erwarten, kam meist die Antwort „Nein, ich muss nebenher noch arbeiten.“ Allerdings verdeutlichten die geführten Gespräche immer wieder, dass das Erschaffen der eigenen Kunst das Zentrum des (Arbeits-)Tages einnimmt und der Job lediglich dem Bezahlen von Rechnungen dient. Einige Tage später habe ich mich dann gefragt, wie die Befragten geantwortet hätten, wenn ich die Frage anders formuliert hätte – nämlich: „kannst du für die Kunst leben?“ Jeder hätte bestimmt ohne zu zögern die Frage mit „ja“ beantwortet, denn in erster Linie macht man Kunst, weil es eine Leidenschaft ist, eine Bestimmung oder vielleicht auch ein Ausweg. Dabei unterscheidet man nicht, ob es um Bildende Kunst, Musik oder Tanz geht. Es ist eine Aufgabe, der man sich hingibt und für die man bereit ist Opfer zu bringen und zu leiden.

Da ich beruflich permanent mit der Digitalisierung konfrontiert werde, war ich beim Rundgang durch die schönen Ateliers froh, zu sehen, dass das analoge Erschaffen für die Künstler (noch) im Fokus steht. Pinsel, Farbe, Papier, Leinwand oder das Arbeiten mit Materialien wie Holz, Ton oder Metall machen die Werke aus, ergänzt durch die teilweise analoge Fotografie, erzeugt durch das Arbeiten mit den Händen, viel Körpereinsatz, das sich Befassen mit Farbe, Form, Struktur und dem Objekt oder dem Thema. In Zeiten, in denen Menschen ihre meiste Zeit mit dem Blick auf ein Display und dem Interagieren mit digitalen Inhalten verbringen, ist analoge Kunst ein Ausgleich für Augen, Geist und alle menschlichen Sinn. Ein Teil dieser Gemeinschaft zu sein ist ein schönes Gefühl, das ich nicht mehr missen will. Eine Gemeinschaft, die irgendwie einen Kontrast zur Gesellschaft bildet, die gerade durch die aktuellen Entwicklungen nur wenige positiv erscheint.

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An insgesamt 24 Standorten konnte man Kunst sehen und erleben, mit den Künstlern in den Dialog treten und erfahren, welch kreatives künstlerisches Potential sich in der ehemaligen Bundeshauptstadt findet. Umso trauriger ist es, dass die Stadt Bonn und ihre Verwaltung dieses Potential nicht erkennt und ausreichend fördert, ja fast schon ignoriert. Während das Ruhrgebiet sich zum neuen Kultur- und Kreativzentrum entwickelt, das mehr und mehr Künstler anzieht, verpasst Bonn die Möglichkeit, aus einer ehemaligen Hauptstadt mehr zu machen als nur das zu Hause der Deutschen Post und der Telekom. Vielleicht können die Künstler der Altstadt das ändern.

 

 

2 Gedanken zu „Von der Kunst leben oder für die Kunst – die 23. Offenen Ateliers in der Bonner Altstadt“

  1. „wenn ich die Frage anders formuliert hätte – nämlich: „kannst du für die Kunst leben?“ Jeder hätte bestimmt ohne zu zögern die Frage mit „ja“ beantwortet, denn in erster Linie macht man Kunst, weil es eine Leidenschaft ist, eine Bestimmung oder vielleicht auch ein Ausweg. “

    Sehr schön ausgedrückt…!

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