Ausstellungsarbeit für die Ausstellung der Illustratorengruppe Zoom-Bonn
Jeden Morgen fahre ich seit etwa zwei Jahren an einem Obdachlosen vorbei, der sein Lager unter einer Brücke aufgeschlagen hat. Bei jedem Wetter liegt er da in gedrungener Haltung, den Blick zum Boden gerichtet und in sich versunken. Hilfe will er nicht. Wie so viele musste auch ich seine Ablehnung erfahren und hinnehmen. Er will kein Essen, keine warme Kleidung und kein Gespräch. Vielleicht will er für sich sein, in seinem Raum, seiner Einsamkeit und Ruhe.
Mittlerweile akzeptiere ich seine Haltung und seine Situation, die er sich vielleicht bewusst ausgesucht hat, erlaube mir aber ihn mit einem Lächeln zu grüßen wann immer er aufschaut, wenn ich an ihm vorbeifahre.
Seine Person in Kombination mit seinen Habseligkeiten und der düsteren Umgebung unter der Brücke wirken auf mich wie ein Abbild oder auch Aufschrei unserer Gesellschaft. Sein gezeichnetes Gesicht und der Körper des Liegenden. Ein Bild, das sich in meinen Gedanken verankert hat. Wer ist es, wer war er früher und warum hat er sich diesen Ort ausgesucht, den wir nur nutzen, weil er Teil unsere Weges ist?
Vielleicht geht es ihm um Schutz; Schutz, den wir, die wir ein Dach über dem Kopf haben und eine Tür, die wir hinter uns schließen, nicht nachempfinden können. Einen Schutz, den auch Unterführungen bieten. Orte, die wir meiden, weil sie ungemütlich sind; oft bedingt durch gammlig-wirkenden Graffitis, kaltes Licht und dem Gestank nach Urin. Orte, die wir schnell und nur gezwungener Maßen durchwandern und an denen wir nicht verweilen wollen. Auch hier stoßen wir immer wieder auf Obdachlose mit ihrem Hab und Gut.
An ihnen gehen wir vorüber, meiden ihre Blicke und beschleunigen unseren Gang. Wir schauen weg und wollen das Elend hinter uns lassen. Manch einer gibt etwas Geld oder etwas zu essen. Ganz gleich ob wir vorübergehen oder etwas geben. Eine gewisse Scham bleibt. Für uns ist die Unterführung ein Nicht-Ort; nach Marc Augé ein Ort, dem es vor allem an etwas mangelt – Identität, Relation, Geschichte. Ein Ort der Anonymität, der Einsamkeit, der Entwurzelung. Was aber ist die Unterführung für den Liegenden, der Schutz sucht?
Der Begriff Nicht-Ort bezeichnet ein Gedankengebäude des französischen Anthropologen Marc Augé. Nicht-Orte sind insbesondere mono-funktional genutzte Flächen im urbanen und suburbanen Raum wie Einkaufszentren (Shopping Malls), Autobahnen, Bahnhöfe und Flughäfen. Der Unterschied zum traditionellen, insbesondere anthropologischen Ort besteht im Fehlen von Geschichte, Relation und Identität, sowie in einer kommunikativen Verwahrlosung.
Für das Thema der Ausstellung musste ich mich mit Unterführungen auseinandersetzen. Beim Beobachten in der Bonner Innenstadt viel mir auf, wie die Menschen an den dort verweilenden Obdachlosen vorbeilaufen, sie bewusst ignorieren und sich ihrem eigenen Ich widmen. Wie Geister schweben sie an den Liegenden vorbei.
Es viel mir schwer das Wahrgenommene in eine Illustration umzuwandeln. Trotzdem ist das, was entstanden ist, das, was ich ausdrücken wollte.